Konzert

Rezitation: Franziska Mencz, Violine: Florian Donderer, Violine: Hozumi Murata, Viola: Annette Stoodt, Viola: Barbara Linke-Holicka, Violoncello: Benjamin Stiehl, Violoncello: Tanja Tetzlaff, Konzeption: Franziska Mencz/ Tanja Tetzlaff

Premiere im Bremer Sendesaal am 2. Juni 2018

Für das schon traditionelle „Bremer Konzert“ des Sendesaals trifft sich – wie jedes Jahr – am Ende der Saison ein Ensemble aus Bremer Musikern, die sonst in unterschiedlichen Zusammenhängen auftreten, mit einer Bremer Künstlerin um gemeinsam ein Konzert zu gestalten. Dieses Jahr: „Alpträume/Traumwelten“ mit der Bremer Schauspielerin Franziska Mencz.
In der ersten Hälfte des Konzertes trifft Schostakowitschs 13. Streichquartett auf Auszüge aus Julian Barnes‘ Roman über den Komponisten und dessen Leben:  „Der Lärm der Zeit“. Auch Texte von Daniil Charms, ein Zeitgenosse Schostakowitschs, der ebenfalls in Leningrad lebte und arbeitete, treten in Dialog mit dessen Komposition. Die Bedrohung durch das Sowjetregime unter dem Schostakowitsch zeit seines Lebens litt, wurde auch Daniil Charms zum Verhängnis.
In der zweiten Hälfte erklingt Mendelssohns Streichquintett Op.18 in A-Dur und wird gespiegelt in „traumhaften“  Fluchten aus der Realität.
Wort und Musik ergänzen sich zu einer Reise vom Dunkel zum Licht. Bedrückendes löst sich auf in Irrealem.

Die Alpträume waren im Veranstaltungstitel angekündigt worden. Dass sie indes derart erschütternd sein würden, damit hatte wohl kaum ein Zuhörer im Sendesaal gerechnet. Als per se kaum spektakulärer Auslöser fungierten Lesungen aus Julian Barnes‘ bedrückendem Schostakowitsch-Roman, kurze, aufwühlende Texte des russischen Regimekritikers Daniil Charms (der nach Inhaftierung 1942 verhungerte) sowie eine surrealistische Situationsbeschreibung von Michael Ende. Passend dazu konzertierte eine aus Bremer Orchestermusikern zusammengestellte Streicherformation eine expressive Version des b-Moll-Streichquartetts Nr. 13 von Dmitri Schostakowitsch.

Wort und Musik schienen sich in ihrer alptraumhaften Wirkung zu spiegeln, mehr noch: zu potenzieren. Dabei setzte die Bremer Schauspielerin Franziska Mencz bei ihrer Rezitation nicht etwa auf Pathos; durch ihre subtile Gestaltung – lediglich minimale Änderungen der Lautstärke, der Tonhöhe, des Lesetempos – verdeutlichte sie umso mehr das Grauen, die Resignation, die innere Zerrissenheit der Protagonisten. Wahrlich kein entspannendes Konzert, vielmehr eine heftige Herausforderung für das Publikum. Dies setzte sich auch im zweiten „Traumwelten“ – Teil fort, jedoch unter deutlich anderem Vorzeichen. Mendelssohns Streichquintett Nr. 1 ist keineswegs frei von Trauer und Melancholie, bietet aber reichlich Klangschönes aus Wärme und Spritzigkeit, das von den Ausführenden mit einfühlender Intensität dargeboten wurde. Herausragend: das Scherzo. Sehr dicht las Mencz hintersinnige, fantastische, kindliches Staunen thematisierende Passagen, die – dramaturgisch genial – in Mascha Kalèkos gereimten Zeilen „Sozusagen grundlos vergnügt“ einen Blickwinkel vermittelten, der von grundlegend optimistischer Weltsicht zeugte.

Weserkurier, Gerd Klingeberg, 05.06.2018